Die Baugeschichte der Pfarr- und Wallfahrtskirche Haisterkirch
Ein Gotteshaus besitzt Haisterkirch schon seit 1200 Jahren. Dabei dürfte sein erster, wohl schlichter Sakralbau schon in merowingischer Zeit grundgelegt worden sein. Sein Patrozinium könnte ihn als frühmittelalterlichen Taufort ausweisen. 926 beim Ungarneinfall in Schutt und Asche gelegt, erhob sich um die Jahrtausendwende auf demselben Platz die schon genannten frühromanische ,,Basilica popularis“ (Leutekirche) der Ottonenzeit. Ob sie noch einschiffig war, ließe sich nur durch eine archäologische Inaugenscheinnahme des Untergrunds klären. Andernfalls hätte sie drei durch aus der Wand geschnittene Pfeilerarkaden voneinander getrennten Schiffe mit halbrunden Fensterchen besessen. Wie das aus Tuffstein gestaltete Stufenportal mit dem sandsteinernen Christuskopf über dem Haupteingang zeigt, muß der Gottesdienstraum aber in der ersten Hälfte des 13. Jh. Umgebaut worden sein. Daran erinnern auch die damals neu emporgeführten Umfassungsmauern des Langhauses mit ihren elf Rundbogenfenstern, von denen 1961 im Chorraum ein nordseitiges zusammen mit spätromanischen Fresken wieder aufgedeckt wurde. Gleichaltrige der ebenfalls aus Feldstein ausgemauerte Nordturm bis in die Höhe der Glockenstube, an dem über der Sakristeitür noch ein Torbogen zu sehen ist. Seine hochmittelalterlichen Klangarkaden , hinter denen schon die zwei erhalten gebliebenen, um 1300 gegossenen schmucklosen Glocken hingen, sind seit der Spätgotik zugemauert. Eine weitere Bronzestimme muß 1350/1400 auf den wohl damals um 10 m erhöhten Turm, der anstelle des Zeltdaches sattelgedeckt wurde, gekommen sein Eine vierte mit den Anfangsworten des Glorias und dem Waldbugwappen gesellte sich 1463 dazu. Im ausgehenden 15. Jh. ließ der Roter Abt Heinrich Hünlin (1475-1501) den nun mit einem Triumphbogen versehene Chorraum einwölben, beide Schiffe entfernen und das Kircheninnere mit neuen Kunstwerken – Wandfresken, Schreinaltären, einer Pietà (um 1480) und der Anna Selbdritt – ausschmücken.
Wie die meisten oberschwäbischen Pfarrkirchen wurde in der Barockzeit auch das Haisterkircher Johannesheiligtum dem inzwischen gewandeltem Stilempfinden angepaßt. Allerdings hatte man sich um die Mitte des 17. Jh. Darauf beschränkt, die Kriegsschäden zu beheben. Eben das war 1697 der Grund, weshalb anläßlich einer Visitation der schlechte bauliche Zustand vor allem das Dachwerk gerügt und Abt Martin Ertle (1672 – 1711) zu einer umfassenden Reparatur verpflichtet wurde. Da mit dem am 26. 12. 1697 veranschlagten Kosten von mehr als 4.000 Gulden die Kirchenpflege überfordert war, mußten auch auswertige Herrschaften, die innerhalb der Gemeinen begütert waren, um Beiträge gebeten werden. Die Arbeiten selbst erstreckten sich von 1698 bis 1705, wo am 28. 9. der Konstanzer Bischofsvikar Conrad Ferdinand Geist von Wildegg (1692-1722) die Altarsweihe vornahm. Das Rippengewölbe im nun aufgemauerten Chor und die Holzdecke im Schiff wurden durch ,,Gypsabeit und Gemälde“ ersetzt. Überdies brach man vorne für zwei und hinten für fünf Barockfenster die Außenmauer auf. Dazu kam ein neuer mit 10.000 frisch gebrannten Hohlziegel versehener Dachstuhl und ein anderes Gestühl. In die Apsis wurde eine Sakristei eingebaut, auf der Nordseite ein Vorzeichen angefügt. Stukkatoren dürften die Werksleute des Wessobrunner Meisters Johan Schmuzler (1642-1701) gewesen sein. Als Maler wirkte der zuvor schon in Rot mit Aufträgen bedachte Memminger Künstler Johannes Friedrich Sichelbein (1665-1726) mit. 1702 wurde durch Johann Eucharius Hermann (1666-1727) auch alle Türen, das Gestühl, die Kanzel und sämtliche Altäre erneuert. Angesicht des wachsenden Pilgerstroms zum Haisterkircher Gnadenbild ließ Abt Hermann Vogler (1711-1739), unter dem 1736 auch das benachbarte Pfarrhaus vollenden wurde, dass Gotteshaus 1726 renovieren.
Nachdem 1867 eine Orgel aufgestellt und das Langhaus nur geweißelt worden war, versuchte Pfarrer Andreas Wachter (1873-1896) dem barockisierten Sakralbau sein mittelalterliches Gepräge zurückzugeben. Er ließ deshalb die ostseitige Chorsakristei abbrechen und en prachtvollen, dreigeschossigen Hochaltar, von dem noch ein Lichtbild erhalten ist, entfernen. Anstelle der am 26. 4. 1884 unerwarteten herabgestürzten Stuckdecke im Chorraum entwarf der Leutkircher Bildhauer aus Dietnheim auch die Wände verzierte, eine neugotische Holzkassettendecke. Dazu passend, lieferte der Biberacher Altarbauer Josef Winter (1849-1908) einen neuen Flügelaltar, zwei Chorstühle und Beichtstühlesowie eine Kommunionbank. Zwei nazarenische, in Regensburg gefertigte Bundglasfenster vervollständigten das Bild. Farbig gefaßt wurden in dem nun mit Butzenscheiben versehene Langhaus neben Kanzel, Seitenaltären und Emporenbrüstungen auch die Deckenstukkaturen Neu weiterhin die Türen, der Taufstein, der Kreuzweg, der Opferstock, ein Kronleuchter, der Bodenbelag sowie Uhrwerk und Blitzableiter. Der neue Hochaltar wurde am 7. 7. 1885 von Diözesanbischof Dr. Carl Joseph Hefele geweiht. Das Gesamtunternehmen, durch das der Innenraum völlig verändert worden war, kosteten 31.703,72 Mark, vovon zwei Drittel aus feiwilligen Spenden bestritten werden konnte. Viele Helfer hatten unendlich mit Hand angelegt und Fuhrdienste geleistet.
Am 10. 9. 1922 konnte eine neue Späth-Orgel geweiht werden, die 1930 elektrifiziert wurde. 1931 folgte eine neue Turmuhr. Der 1935 an den Staat gestellte Antrag, für die Kirchenrenovation sammeln zu dürfen, wurde abgelehnt. Im Juli 1938 ließ Pfarrer Erich Dolderer (1937-1956) das 1884 beschädigte Dachgebälk instand setzte und die Kirche neu eindecken. Danach wurde 1940 in der Pfarrkirche der Ölfarbsockel abgeschlagen und das Stromnetz neu verlegt. Der Munderkinger Restaurator Kneer befreite die Schiffsdecke von ihrer 56 jährigen Übermalung und behob an den Barockgemälden alle Schäden. Gleichzeitig wurde das Langhaus frisch verputzt und mit neuen Fenstern versehen. Im Folgenden Jahr, in dem der Chorraum durch den Waldseer Gipser Josef Kugler eine vorläufige Hohlkehlen-Gipsdecke erhielt, kamen das frühere Chorbogenkreuz und der Barockkreuzweg wieder an ihren angestammten Platz und wurden die ebenfalls restaurierten Skulpturen der Pietà und der Anna Selbritt gegenüber der Kanzel angebracht. Im Chorfresko ließ der Pfarrer durch den Wangener Kirchenmaler August Braun (1876-1956) das letzte Geheimnis des Glorreichen Rosenkranz veranschaulichen. Außerdem wurde die 1908 ins Vorzeichen eingebaute Lourdes-Grotte entfernt. 1942 schließlich restaurierte Kneer auch noch die Kanzel, beide Seitenaltäre und vier Barockgemälde vom früheren Hochaltar.
Am 24. 2. 1948 gelangen die beiden 1942 abgelieferten Glocken wieder auf den Turm, der 1953 renoviert wurde. Im folgenden Jahr erhielten die Seitenaltäre zwei Bischofsstatuetten vom alten Hochaltar sowie vier neue Engelsfiguren. 1955 konnte das Kirchenäußere erneuert werden. Zwei Jahre später, als die Salzburger Firma Dreher und Reinisch eine neue Orgel einbaute, mußte auch das Emporengebälk instandgesetzt werden. Pfarrer Josef Heiss (1956-1960) ließ 1959 den Prospekt mit zwei Engelchen schmücken. Sein Nachfolger Bernhard Brukert (1960-1983) setzte sich im ersten Jahr für ein elektrisches Läutwerk, eine Kirchenheizung und zwei neue Beichtstühle ein. 1962 folgte eine weitere Innenrenovation, wobei die Gemälde und Altäre im Schiff restauriert und die Chordecke durch den Krumbacher Bildhauer Josef Schiller rekonstruiert wurde. 1966 vollendete Schiller auch den von Max Hammer (1884-1973) entworfenen Hochaltar, in den die früheren Barockgemälde und das Haisterkircher Gnadenbild eingefügt wurden. In den folgenden Jahren gab Pfarrer Burkert, der Ende 1972 eine neue Wohnung beziehen konnte, in Südtirol weitere neobarocke Ausstattungsstücke in Auftrag. Zuletzt kamen 1982 auf das Kirchendach 35.000 neue Platten. Sein Nachfolger Rudolf Schmid (1983-1990) führten die Arbeiten weiter. Auch der Turm und die Außenwände wurden renoviert. So übernahm unter ihm die Kirchengemeinde die Kapellen Dreifaltigkeit, St. Sebastian, Hittelkofen (1984) und St. Wendelin (1986). 1987 wurde das frühere Pfarrhaus (Klosteranlage) an die Stadt Bad Waldsee verkauft. Doch konnte die Pfarrei darin einen Gemeindeaal und Jugendräume einrichten. 1988 folgte ein umfassende Renovation des Kircheninneren, wobei der Stuck gereinigt, ein neues Gestühl samt einer Elektroheizung eingebaut und die Turmsakristei ostwärts erweitert wurde. Zu guter Letzt erhielt der Chorraum nach einem Künstlerwettbewerb (1988) einen nachkonziliaren Volksaltar und Ambo (1990). Am 2. 12. 1990 übernahm Theodor Tallafuß als vorläufig letzter Ortspfarrer die knapp 1.150 Seelen zählende Täufergemeinde.
Quelle: Verlag Schnell & Steiner GmbH (Schnell, Kunstführer Nr. 2058 - 1. Auflage 1993)